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AVR

Gewaltdynamiken im Kontext der G20-Proteste in Hamburg 2017

Conférence
Ouvert au grand public
02.04.2019 17:15
Présentiel

Die Ereignisse rund um den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg haben tiefe Spu-ren hinterlassen. In Erinnerung geblieben ist nicht das ursprünglich angekündigte „Festival der Demokratie“, sondern zahlreiche Bilder der Gewalt. Nach wie vor sind die Hamburger Gewaltereignisse Gegenstand einer polarisierten öffentlichen De-batte, die vor allem von einseitigen Schuldzuschreibungen geprägt ist. Die Gewalt rund um den G20-Gipfel lässt sich jedoch nur sehr bedingt aus den Motiven und Planungen der Beteiligten erklären. Die Gewaltprognosen im Vorfeld haben sich in der Protestwoche nicht einfach bestätigt. Ein solcher Kurzschluss verstellt nicht nur den Blick auf die Dynamik der Entwicklungen und die Handlungsspielräume der Beteiligten; er beschneidet auch den Raum für die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Konflikt, der sich in Hamburg entlud. Der Vortrag argumentiert daher bewusst gegen Auffassungen, nach denen sich die gewaltsame Eskalation der Proteste zwangsläufig so ereignen musste. Die Entwicklung wird stattdessen auf Prozesse der Eskalation zurückgeführt, in denen sich wahrgenommene Bedro-hung, Handlungen und Deutungen auf fatale Weise miteinander verflechten. Ge-walt steigert sich nicht zwangsläufig und ungebrochen, sondern über soziale Pro-zesse mit ganz eigenen Dynamiken, in denen immer wieder aufs Neue konfrontati-ve Situationen zwischen Polizist*innen und Protestteilnehmenden entstehen und gewaltförmig eskalieren können (und dies aus unterschiedlichsten Gründen). Das in der Protestwoche nach und nach entstehende Knäuel aus Gewalt und Gegen-gewalt stellt mit anderen Worten einen eskalierenden Konfliktverlauf dar, in dem eine Vielzahl an unterschiedlichen Bedingungen zum Tragen kommen, die, je nach Situation, Ursache und Wirkung zugleich sein und sich sogar wechselseitig ver-stärken können. Der Vortrag stützt sich auf die zentralen Ergebnisse des Projekts „Mapping #NoG20“, das Ende 2017 mit Unterstützung zahlreicher Stiftungen ins Leben gerufen wurde, darunter die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissen-schaft und Kultur und die Zeit-Stiftung. Koordiniert vom Institut für Protest- und Be-wegungsforschung (ipb), dem Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin (ZTG) und dem Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS), wur-de das Projekt durch ein Netzwerk von mehr als 20 Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftlern aus der Protest-, Polizei- und Gewaltforschung getragen.
Quand?
02.04.2019 17:15
Où?
Site MIS 03 / Salle 3100 C
Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg
Organisation
Soziologie, Sozialpolitik, Sozialarbeit
Michael Nollert
michael.nollert@unifr.ch
Intervenants
Eddie Hartmann, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

CYCLE d'événements:
Vortragsreihe: Soziale Konflikte – Typen, Ursachen und Bewältigung

Konflikte zwischen Menschen, Gruppen oder Staaten sind häufig Ursache und Folge sozialer Probleme. Angefangen mit Marx und Engels, die die gesellschaftli-che Entwicklung als «Geschichte von Klassenkämpfen» (1848) sahen, sowie Sim-mel, der auf zwischenmenschliche Konflikte fokussierte, hat die soziologische Ana-lyse von Konflikten eine lange Tradition.

Allerdings entfaltet sich bereits im 19. Jh. die Kontroverse zwischen Ansätzen, die wie Marx, Simmel und später Coser die konstruktiven Aspekte von Konflikten und solchen, die dysfunktionale Aspekte von Konflikten betonen (Durkheim, Parsons).

Analoge Divergenzen finden wir auch hinsichtlich der Ursache von Konflikten. Während funktionalistische Ansätze vornehmlich auf kulturelle Integrations- und Kommunikationsdefizite verweisen, richtet sich das Augenmerk von Konflikttheo-rien auf ökonomische, politische und kulturelle Differenzen.

Entsprechend variieren auch die Vorschläge, Konflikte zu bewältigen, zwischen Integrationskursen, Erziehungstipps, Resozialisation, mehr Dialog und strukturellen Reformen, die u.a. das ökonomische Gefälle zwischen Menschen, Gruppen und Staaten verringern.

Moderne Gesellschaften verfügen an sich dank demokratischer Institutionen, Sozi-alpolitik und Sozialarbeit über tragfähige Instrumente, um destruktive, gewalttätige Manifestationen von Konflikten zu begrenzen. Entsprechend wird die Vortragsreihe nach einer Einführung in die theoretischen Grundlagen und Referaten zu aktuel-len Konflikten in der Schweiz Massnahmen thematisieren, die zu deren Bewälti-gung beitragen sollten.
 
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