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MARS

Altern, Gesundheit und Pflege in Ostafrika: Über Vulnerabilität und Ressourcen von alten Menschen in Tansania

Conférence
Ouvert au grand public
31.03.2015 17:15
Présentiel

Die grossen gesamtgesellschaftlichen Transformationen (wie demo¬graphische und epidemiologische Veränderungen, sozialer Umbau, Urbanisierung und der Wandel des Lebensstils) sowie die HIV/AIDS-Epidemie haben in den letzten 20 Jahren in Tansania insbesondere die alten Leute zu einer der verwundbarsten Gesellschaftsgruppen gemacht. Ein sich zunehmend abzeichnendes ‚Altern in Unsicherheit‘ wird durch kaum entwickelte formelle Sozialversicherungssysteme noch verstärkt. Deshalb kommt der Familie, der Verwandtschaft und der lokalen Gemeinschaft eine überaus wichtige Unterstützungs- und Pflegerolle zu: Sie kümmern sich heutzutage vor allem um die alten kranken und schwachen Mitglieder, wenn diese hilfs- und pflegebedürftig sind. Die ‚Nationale Alterspolitik‘ von Tansania betont zudem bewusst die Wichtigkeit dieser informellen ‚care arrangements‘ in der Altenpflege.
Jedoch sind auch diese genannten sozialen Einheiten einem schnellem Wandel unterworfen, so etwa durch Migration der Kinder, durch deren Abwesenheit wegen HIV/AIDS oder durch Abnahme einer (zwar eher normativen) reziproken intergenerationellen Solidarität im urbanen Raum. Verwundbarkeiten für alte TansanierInnen entstehen durch diese Prozesse vor allem im sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bereich, ist doch die Unterstützung durch die Kinder, Verwandten und Gemeinschaftsmitglieder nicht mehr garantiert. Eine Folge davon ist das tägliche Arbeiten der alten Leute, solange Körper, Geist und Seele noch gesund sind. Beeinträchtigung durch meist chronische Krankheiten und Altersbeschwerden in zunehmendem Alter führt zu Pflegeverhältnissen, die einen Umzug der gepflegten alten Person in den Haushalt eines pflegenden Kindes oder umgekehrt eines Kindes in den Haushalt des pflegebedürftigen Elternteils nach sich ziehen. Nicht zuletzt sind diese ‚care arrangements‘ auch sehr generationen- und gendergeprägt (etwa Frauen als Hauptpflegende, Kinder zuständig für physische und finanzielle Pflegeaktivitäten). Wichtige Ressourcen der alten Leute sind dabei materielle ‚assets‘ wie Land und Haus, soziales und symbolisches Kapital, der Bezug zur Religion und das bewusste Herstellen von Verbundenheit (‚kinning by care‘).
Neue Formen der Alterspflege in Tansania wie die Betreuung durch andere alte Familienmitglieder, durch religiös/privat organisierte Institutionen oder in Pflege- und Altersheimen, eine enge Stadt-Land-Rückversicherung, neue Technologien und Medien (wie Mobiltelefone, Skype) und transnationale Pflegebeziehungen (etwa in Form von Überweisungen von Geld und von Medikamenten) sind mehr und mehr anzutreffen.
Quand?
31.03.2015 17:15
Où?
Site MIS 03 / Salle 3000A
Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg
Organisation
Prof. Dr. Monica Budowski, Dr. Daniel Künzler
daniela.tissi@unifr.ch
026 300 7781
Intervenants
Piet Van Eeuwijk, Senior Lecturer and Researcher, Universität Basel

CYCLE d'événements:
Wohlfahrtsregimes in Entwicklungsländern

Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass in Entwicklungsländern sozialer Schutz (social protection) hauptsächlich durch nicht-staatliche Akteure wie familiäre, religiöse und nachbarschaftliche Netzwerke bereitgestellt wird und dies durchaus mit Geschlechter- und anderen Ungleichheiten einhergeht. In Afrika wurden teilweise bereits im Rahmen des Kolonialismus für einen kleinen Teil der Bevölkerung Instrumente der sozialen Sicherheit nach europäischem Modell eingeführt, um die Risiken des Alters, der Arbeitslosigkeit und von Krankheit abzufedern. Lateinamerika ist die Entwicklungsregion der Welt, deren Entwicklung den stärksten Schub an Implementierung solcher Instrumente erfahren hat. Die eingeführten Instrumente sozialer Sicherheit basierten auf der Arbeit des meist männlichen Ernährers im formellen Wirtschaftssektor und waren deshalb in Entwicklungsländern nicht generalisierbar. Denn in diesem Kontext sind – grob vereinfacht zusammengefasst – der urbane informelle Sektor und die Subsistenz- und Agrarwirtschaft bedeutender als der formelle Wirtschaftssektor. Die hohe Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung, eine Unterversorgung mit Humankapital sowie weitere ökonomische, soziale und politische Faktoren haben zu einer Häufung von Risiken wie Armut, Unterernährung oder Krankheit geführt. Diese werden durch spezifische Unsicherheitsfaktoren wie Naturkatastrophen oder bewaffnete Konflikte noch verstärkt.
Eine zunehmende Zahl von Forschungsarbeiten dokumentiert und analysiert, wie früher (Lateinamerika) oder später (Afrika) ein Ausbau von staatlichen und nichtstaatlichen Leistungen im Bereich der sozialen Sicherheit eingesetzt hat. Diese Leistungen richten sich an bestimmte Altersgruppen oder Formen der Bedürftigkeit (z.B. Alte, Kinder, schwangere Frauen), oder streben universelle Zielvorgaben an (z.B. medizinische Grundversorgung, universelle Altersvorsorge). Sie werden von internationalen Organisationen, aber auch makroregionalen Faktoren beeinflusst. Die Leistungen von Staaten, Märkten, Haushalten und Nichtregierungsorganisationen führen so zu spezifischen Formen von Wohlfahrtsmixen.
Diese Vortragsreihe widmet sich diesen Wohlfahrtsregimen in Entwicklungsländern. Sie beginnt mit einer Einführung in das Thema, in der Konzepte, Modelle und Typologien sowie Theorien vorgestellt werden. Jeweils nach einem Überblick werden dann zwei Bereiche der sozialen Sicherheit (Versorgung im Alter und Gesundheit) mit Fallstudien aus Afrika und Lateinamerika vertieft diskutiert. Dabei wird gefragt, wie die entsprechenden Sicherungssysteme organisiert werden sollen, wer die entsprechenden Dienstleistungen anbieten soll (Staat, Private), wie sie finanziert werden sollen (steuerbasiert, beitragsbasiert) und was ihre Auswirkungen auf die individuelle und gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt und soziale Ungleichheiten sind.

 
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