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NOV

Von Zweifel, Verzweiflung und der chronischen Verlegenheit, ein endliches Indi-viduum zu sein. Lektionen in Endlichkeitskompetenz mit Kierkegaard (und einer Prise Cavell)

Conférence
Ouvert au grand public
08.11.2016 17:15 - 00:00
Présentiel

Karl Jaspers adelt Sören Kierkegaard als einen der „größten aller verstehenden Psychologen“. Mit diesem Lob liegt der seinerseits psychologisch beachtlich begabte Jaspers gleich auf meh-reren Ebenen richtig. Denn wirklich ist Kierkegaard nicht nur ein großer Psychologe, sondern sogar ein großer verstehender Psychologe. Zugegeben, man könnte den Ausdruck ‚großer verstehender Psychologe‘ durchaus für tautologisch halten, denn man mag sich – nicht ganz zu Unrecht – fragen, wie es überhaupt angehen soll, ein großer Psychologe zu sein, ohne zu-gleich auch ein verstehender Psychologe zu sein. Nichtsdestotrotz scheint mir der Ausdruck treffend, denn er ist sozusagen selbst sensibel genug, um die kognitiven und emotiven Anteile von Kierkegaards gerühmter psychologischer Expertise zu berücksichtigen. Denn Kier-kegaards psychologische Meisterschaft gründet darin, ein Eingeweihter in psychischen Ext-remzuständen zu sein, dem es aber zugleich gelingt, gebührenden Abstand davon zu nehmen, um sie reflexiv durchzuarbeiten und zu durchdringen. (Nicht zuletzt gelingt ihm diese diffizile Operation durch die Reflexion). Verstehen bedeutet in Kierkegaards Fall also nicht nur so viel wie ‚Verständnis haben‘, sondern mehr noch ein ‚ergriffenes Begreifen‘. Dabei begreift er insbesondere, dass viele Zustände seelischer Erschütterung wesentlich damit zu tun haben, dass Menschen mit ihrer eigenen Endlichkeit nicht zu Rande kommen.

In meinem Vortrag möchte ich mit Kierkegaard (wenigstens andeutungsweise) zeigen, wie uns (Menschen) mangelnde Endlichkeitskompetenz immer wieder in die existenzielle Bredouille bringt. Schließlich soll auch der amerikanische Philosoph Stanley Cavell kurz zu Wort kommen, da er in seinem Denken von ganz ähnlichen Prämissen wie Kierkegaard ausgeht, im Unterschied zu diesem aber auf eine Versöhnung des Menschen mit seiner Endlichkeit (auch) ohne Gott hinaus will.
Quand?
08.11.2016 17:15 - 00:00
Où?
Site MIS 04 / Salle 4128
Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg
Organisation
Departement de Philosophie
Sara Privitera
sara.privitera@unifr.ch
Intervenants
Dr. Eike Brock, Universität Bonn / Forschungsinstitut für Philosophie Hannover
Pièces jointes
  [8.11.pdf